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Interessantes Zitat:

….In die gleiche Kerbe schlägt auch Salzhausens Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Krause: „Auch wir sagen: Diese Erweiterung des Bodenabbaubereiches überfordert die kleine Gemeinde Vierhöfen. Schon der Ist-Zustand war aus unserer Sicht bedenklich.“

https://www.landeszeitung.de/lokales/34003-manzke-will-mehr/

Eine Zeitenwende der Natur?

Autorin: Johanna Romberg

Vor einem Jahr startete das Volksbegehren Artenvielfalt in Niedersachsen. Was es gebracht hat- und was nicht- zeigt, dass die Natur in ganz Deutschland neue Verbündete braucht

Ich habe einen Traum: Dass auf den Wiesen rund um mein Dorf wieder Kiebitze balzen und Kuckuckslichtnelken blühen, dass an den Feldrändern neue Schlehenhecken sprießen und der Dorfbach, zurzeit ein dünner, schnurgerader Strich durch die Landschaft, wieder Kurven ziehen darf.

Seit Jahren schon trage ich diesen Traum mit mir herum, obwohl – oder gerade weil – die Wirklichkeit ihm eher widerspricht. Ich lebe im ländlichen Nordniedersachsen, besondere Kennzeichen: Mais-, Kartoffel- und Grasäcker im Großformat, durchsetzt mit Nutzholzforsten und Gewerbegebieten. Ich bin schon froh, wenn ich im Frühjahr noch ein paar Lerchen höre, am Wegrand Hahnenfüße blühen sehe, und die letzten verbliebenen Feldhecken vom Schredder verschont geblieben sind.

Schon zum vierten Mal stimmten die Menschen in einem Bundesland für mehr Naturschutz ab

Vor einiger Zeit aber erschien mir mein Traum plötzlich realistischer als sonst. Da las ich vom Volksbegehren Artenvielfalt in Niedersachsen, dem bereits vierten seiner Art in Deutschland. Den Anfang hatten bayrische Aktivistinnen und Aktivisten gemacht, die mit dem Aufruf „Rettet die Bienen!“ im Februar 2019 innerhalb von nur zwei Wochen über 1,7 Millionen Menschen dazu bewegten, ein neues bayrisches Naturschutzgesetz zu fordern. Es folgten zwei Aktionen in Brandenburg und Baden-Württemberg, die aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig beendet wurden; im vergangenen Sommer haben Menschen in Nordrhein-Westfalen mit einer noch laufenden Volksinitiative nachgezogen.

In meinem Bundesland startete das Volksbegehren Artenvielfalt, genau gesagt seine erste Phase, offiziell am 2. März 2020. Initiiert hatten es die Landesverbände von NABU und Bündnis 90/Die Grünen sowie der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund; mitgetragen wurde es von über 200 Bündnispartnern – lokalen Umweltinitiativen ebenso wie Forschungsinstituten, Gewerkschaften, Unternehmen und NGOs. Die Forderungen des Bündnisses umfassten 17 Punkte, ausformuliert in einem „Gesetz zur Sicherung der Arten- und Biotopvielfalt in Niedersachsen“. Die meisten davon standen – und stehen – seit Jahren auf den To-do-Listen von Naturschutzfachleuten: Ausbau des Ökolandbaus (mindestens 20 Prozent bis 2030), Stopp des Flächenfraßes (Netto-Null bis 2050) mehr Natur im Wald (Laubholz auf mindestens 55 Prozent der Fläche, keine Kahlschläge und Entwässerung mehr) und besserer Schutz von Gewässern (fünf Meter breite Randstreifen an jedem Bach).

Grünland im Frühjahr in Ruhe lassen – das wäre eine wichtige Erste-Hilfe-Maßnahme für Wiesenvögel

Es waren aber vor allem drei Forderungen, die ich am liebsten mit Leuchtstift auf allen Info-Flyern und Webseiten der Aktion markiert hätte:

  • das Verbot, artenreiche Wiesen (in der Fachsprache „Dauergrünland“) umzupflügen, um sie in Äcker oder andere landwirtschaftliche Nutzflächen umzuwandeln
  • ein verbindlicher Schutz für Hecken, Alleen, Feldgehölze und andere ökologisch wertvolle Landschaftselemente
  • eine „Sperrfrist“ für die Bearbeitung aller Flächen, die Kiebitzen und anderen Wiesenvögeln als Brutplatz dienen: Zwischen dem 20. März und dem 15. Juni sollten sie, laut Gesetzentwurf, weder gewalzt noch gemäht werden – mit Ausgleichszahlungen für die betroffenen Landwirte. Solche Zahlungen sah das Volksbegehren übrigens bei allen geforderten Maßnahmen vor, die Einschränkungen und Ertragsverluste für Landbesitzer oder -pächter mit sich bringen würden.

Die vogelfreundliche Sperrfrist sollte zudem nur in jenen Schutzgebieten gelten, die Teil des europäischen Netzwerks „Natura 2000“ sind. Diesen Vorbehalt fand ich zunächst etwas enttäuschend. Aber Niedersachsen ist reich an Gebieten, die nach EU-Naturschutzrichtlinien besondere Bedeutung für den Erhalt wildlebender Tiere und Pflanzen haben; über 450 gibt es hier davon – von den Salzwiesen des Wattenmeer-Nationalparks über die Hochmoor-Reste zwischen Weser und Ems bis zu den alten Eichenwäldern des Solling. Einige Gebiete, die speziell als Vogelrefugien bedeutsam sind, liegen in meiner Nähe. Wenn die Vögel dort erst einmal wirksam geschützt wären, könnten sie auch ihre früheren Brutgebiete wiedererobern, einschließlich der Wiesen rund um mein Dorf – so jedenfalls meine Hoffnung.

Der vorzeitige Stopp der Aktion – notwendiger Kompromiss oder Einknicken vor der Agrarlobby? Die Meinungen gehen auseinander

Seit dem Start des Volksbegehrens ist ein gutes Jahr vergangen, und es ist viel passiert inzwischen. Insgesamt 162.530 Menschen haben die Forderungen unterzeichnet, trotz Corona-Einschränkungen und wütender Proteste vieler Bauern. Diese sahen in der Aktion der Naturschützer einen Frontalangriff auf ihren Berufsstand. Die große Resonanz auf das Volksbegehren beeindruckte auch den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD), der bislang nicht durch besonderes Interesse an Natur- und Artenschutz aufgefallen war. Er lud Vertreter von NABU und BUND ein, um über neue, verbindliche Regelungen zu verbessertem Naturschutz zu verhandeln – gemeinsam mit Landvolk, Landwirtschaftskammer und Vertretern des Agrarministeriums.

Anfang November 2020 präsentierten die Verhandlungspartner ein gemeinsam erzieltes Ergebnis, bestehend aus zwei Teilen: einem neuen niedersächsischen Naturschutz-, Wasser- und Waldgesetz sowie dem „Niedersächsischen Weg“, einer Vereinbarung, die ergänzende, über das Gesetz hinausgehende Vorhaben enthält – etwa Aktionsprogramme zur Förderung der Insektenvielfalt, mehr Personal für die Naturschutzbehörden und die Einrichtung eines landesweiten Biotopverbunds.

Das Gesetz haben am 10. November 2020 alle Fraktionen des Landtags einstimmig verabschiedet; die Initiatoren des Volksbegehrens setzen daraufhin um, was sie bereits Wochen zuvor angekündigt hatten: Die Unterschriftensammlung zu stoppen, sobald ein tragfähiges Verhandlungsergebnis erzielt und vom Parlament als Gesetz beschlossen worden sei. Nur bei einem Scheitern der Verhandlungen wäre das Volksbegehren in seine zweite Phase gegangen. Dann hätten die Bündnispartner um NABU und BUND weitere sechs Monate um Unterschriften werben müssen – bis zur Zielmarke 610.000. Wären die erreicht worden, hätte der Landtag über die Umsetzung der 17 Originalforderungen des Volksbegehrens entscheiden müssen.

Mehr Geld für Schutzgebiete, Randstreifen an Fließgewässern: Pflichtaufgaben, die jetzt endlich angegangen werden

NABU und BUND werteten den vorab erzielten Kompromiss als „großen Erfolg für den Naturschutz“ und lobten die neue „Kultur des Dialogs“, die sich in den Vereinbarungen zeige. Auch die übrigen Verhandlungspartner zeigten sich hochzufrieden: Der Niedersächsische Weg habe „Modellcharakter auch für ähnliche Vereinbarungen in anderen Bundesländern“, erklärte der Präsident des niedersächsischen Landvolks; Umweltminister und Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) sprachen in einer gemeinsamen Erklärung gar von einer „politischen Zeitenwende“ und einem „Aufbruchssignal“.

Doch diese Begeisterung teilten – und teilen – nicht alle. Es sind besonders Naturschutz-Fachleute, die Kritik üben, auch und gerade solche, die das Volksbegehren zunächst aktiv unterstützt haben. Wie etwa der Umweltplaner Matthias Schreiber, zweiter Vorsitzender des „Umweltforums Osnabrücker Land“. Schreibers Vorwurf: Die Initiatoren seien vorzeitig unter dem Druck von Agrarlobby und Landesregierung eingeknickt, hätten sich mit einem Ergebnis zufriedengegeben, das in vieler Hinsicht unzureichend und unverbindlich sei.

Schreiber führt, als Belege für seine Kritik, auch Mängel bei den drei Forderungen an, die mir besonders wichtig waren und sind.

  • Gesetzlicher Schutz von ökologisch wertvollen Landschaftselementen: am Widerstand der Agrarwirtschaft gescheitert. Es bleibt weiterhin erlaubt, Hecken, Alleen und Feldgehölze zu beseitigen; nur müssen Landbesitzer oder -pächter künftig an anderer Stelle Gleichwertiges nachpflanzen, in Ausnahmefällen stattdessen auch einen finanziellen Ausgleich leisten. Diese „Eingriffsregelung“ bleibt hinter denen anderer Bundesländer zurück, die solche Landschaftselemente verbindlich schützen; im Übrigen war sie in der jetzigen Fassung schon vor dem Volksbegehren geplant.
  • Schutz von Wiesenvögeln: Keine verbindlichen „Sperrfristen“ für die Feldbestellung, sondern ein – noch zu verhandelndes – Schutzprogramm, das vor allem auf freiwillige Förderangebote setzt und erst dann verbindliche Einschränkungen vorsieht, wenn Landwirte, auf deren Flächen Vögel brüten, sich auf keinerlei Kooperationen einlassen. Diese Regelung könnte, so Schreiber, womöglich sogar juristisch anfechtbar sein, weil die Förderangebote sich nur an Landwirte richten, die Grünland innerhalb von Natura 2000-Gebieten bestellen. Ackerbauern dagegen und alle anderen, deren Flächen außerhalb von Schutzgebieten liegen, haben keinen Anspruch auf Erschwernisausgleich. Das könnte, Stichwort Gleichheitsgrundsatz, sogar verfassungsrechtlich bedenklich sein.
  • Schutz artenreicher Wiesen: Der immerhin ist erreicht. Artenreiches Grünland hat endlich den Status eines gesetzlich geschützten Biotops erhalten. Auch in anderen Punkten konnten die Initiatoren des Volksbegehrens Erfolge melden: An allen niedersächsischen Fließgewässern müssen künftig dünger- und pestizidfreie Randstreifen angelegt werden, die je nach Einzugsgebiet des jeweiligen Bachs oder Flusses zwischen drei und zehn Metern breit sein müssen. Auf 15 Prozent der Landesfläche wird ein Biotopverbund etabliert, das Land richtet 15 zusätzliche ökologische Stationen ein und stellt weitere 30 Millionen Euro für die Pflege von Natura 2000-Gebieten bereit.

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Weitere Links:

https://www.kreiszeitung-wochenblatt.de/salzhausen/c-panorama/nachnutzung-im-fokus-bei-kiesabbau-in-garstedt-und-umgebung_a195367

https://www.abendblatt.de/archiv/1999/article204547743/Kiesabbau-wird-doch-genehmigt.html

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